Die Verjagten

„Traditionelle Lehrbücher suggerieren durch Betonung der nationalen Gemeinschaft, dass man in der Not nicht allein ist. Dabei ist eine der schmerzlichsten Erfahrungen der Flüchtlinge, auf die sie zumeist infolge der Verschleierungstaktik nationaler Märchenonkel gar nicht vorbereitet sind, dass ihre Mitbürger, bei denen sie nach Flucht und Vertreibung unterkommen, sie gar nicht mit offenen Armen empfangen, sondern dass ihnen Misstrauen und Abneigung entgegenschlagen, vor allem, wenn sie in großen Massen auftauchen.“
Jan M. Piskorski

Piskorski eilt durch hundert Jahre Flucht und Vertreibung in Europa, wofür dieses Buch mit seinen nur 400 Seiten einem mit dem Thema gut vertrauten Leser eine bereichernde Zusammenfassung mit ergänzenden Details geben dürfte. Wer sich aber einen Überblick erhofft, in welchem Land zu welcher Zeit mit welchen politischen Hintergründen es zu Flucht und Vertreibung kam, dürfte sich verlieren. Ein fast durchgehender Text mit zu wenig Kapiteln und fehlender Gliederung erschwert die Orientierung. Es fehlt ein Kompass, es fehlt an Klarheit, an welcher Stelle der Geschichte der Autor sich jeweils befindet. Für Historiker und wer die Ereignisse des letzten Jahrhunderts sicher parat hat bestimmt ein Gewinn, ansonsten ist beim Lesen unter Umständen viel Recherchearbeit nötig.

Eine wichtige Korrektur muss ich anbringen: Auf Seite 104 schreibt Piskorski, daß die St. Louis mit ihren neunhundert jüdischen Flüchtlingen an Bord 1939 von Kuba abgewiesen worden sei, weil die Passagiere nicht die erforderlichen Einwanderungspapiere besessen hätten. Das ist nicht richtig. Wie Hans Herlin in seinem genauestens recherchierten Buch „Die Tragödie der St. Louis“ untersucht hat, war dies ein Gerücht, um einen Vorwand zu haben, die Juden nicht aufnehmen zu müssen. In Wirklichkeit wollte der kubanische Präsident plötzlich von jedem Juden Geld für die Einreise, das die Flüchtlinge aber nicht aufbringen konnten.

Jan M. Piskorski
Die Verjagten
Siedler Verlag, München 2013
ISBN 9783827500250
Gebunden, 432 Seiten

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